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Alle Kanäle auf Angriff

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Vielleicht wird diese Mütze eines Tages etwas wert sein: Auf ihr die Autogramme der deutschen YouTube-Stars. Foto: Markus Hündgen

Vielleicht wird diese Mütze eines Tages etwas wert sein: Auf ihr die Autogramme der deutschen YouTube-Stars. Foto: Markus Hündgen

Ist damit die Kriegserklärung ausgesprochen? YouTube startet noch diesen Monat mit den ersten Premium-Kanälen nach US-Vorbild. Professionelle Inhalte sollen das Videoportal attraktiver für Werbetreibende machen. Gleichzeitig läutet die Google-Tochter damit eine Revolution auf dem hiesigen Medienmarkt ein.

Bis jetzt ist Philipp Laude als Frontmann des Comedy-Trios “Y-Titty” auf YouTube bekannt. 25 Millionen Videoabrufe pro Monat sind längst die Grundlage für ein geregeltes Einkommen – nur mit Webvideos. Am 22. Oktober ist es soweit: Als erster durch YouTube geförderter Kanal in Deutschland geht “Ponk” an den Start. Produziert durch Laude.

Gezeigt werden soll das Leben einer Kölner WG, mit Gaststars aus dem On- und Offline-Leben. Zielgruppe: jugendlich. “Wir füllen damit eine Lücke, die das Fernsehen uns überlassen hat”, erklärt Spartacus Olsson, Geschäftsführer von Mediakraft Networks, zu denen der neue Kanal “Ponk” gehört. Und Y-Titty. Und viele deutsche YouTube-Stars mehr.

Das Kölner YouTube-Netzwerk Mediakraft ist exemplarisch für die Professionalisierung der deutschen Webvideo-Landschaft. Cameo-Auftritte der Vertragspartner untereinander, gemeinsame PR-Auftritte, Bündelung von vermarktbaren Videoabrufen.

Neue alte Produzenten

YouTube befeuert den eigenen Wandel von der Wackelvideo-Webseite hin zur Premium-Plattform mit harten Dollars. Die investierten ersten 100 Mio. Euro in den USA waren nach eigener Aussage ein Erfolg und der Grund, weitere 200 Mio. auch in europäische Kanäle zu stecken. Dabei ist weniger interessant, was YouTube fördert, sondern wen.

Zwei der neuen Original-Kanäle werden von Endemol produziert, der gleichen Firma, die sonst hauptsächlich für typische TV-Kost sorgt. Dass es Endemol ernst meint, zeigt die Neugründung der Tochter “Endemol beyond”. 15 Personen sollen sich dort um die Bespielung der YouTube-Kanäle kümmern.

15 Personen, das ist schon weit mehr als ein Philipp Laude Platz in seiner Video-WG hat. Doch mit dem gestiegenen Anspruch steigen die Kosten. Wie viel Geld jeder Original-Kanal erhält, will YouTube nicht sagen. Einige YouTuber sprechen gegenüber dem ZDF von einer Millionen Euro, für ein Jahr Laufzeit. Auf den ersten Blick viel Geld für Webvideos, auf den zweiten Blick allerdings nur ein Startgeld für professionelle Produktionen.

Doch ähnlich wie Endemol, hat auch die UFA Blut geleckt und geht mit zwei Kanälen an den Start. In Zeiten sinkender Fernsehbudgets wirkt der neue Markt “Internet” umso verlockender. Großer Vorteil für die Produzenten: Sie werden in kein Sendeschema gepresst, sowohl Kreativität als auch Marketing liegen in ihren Händen. Und wie im Partnerprogramm YouTubes schon jetzt geregelt: Die Werbeeinnahmen werden brüderlich geteilt. Dinge, bei denen im Ökosystem Fernsehen die Sender das letzte Wort hatten.

Kritik der Privatsender

Noch werden die Produktionsfirmen den Fernsehsendern die Treue halten. Der Webvideo-Markt gewinnt jetzt erst an finanzieller Fahrt. Dennoch spüren die Privatsender den Stachel YouTubes und reagieren gereizt. Deren Verband VPRT findet klare Worte. “Die Ankündigung von YouTube macht deutlich, dass in Deutschland der medienpolitische Offenbarungseid droht”, sagt VPRT-Chef Jürgen Doetz. Damit gemeint ist eine fehlende Regulierung. Längst seien Inhalte von neuen und alten Rundfunkanbietern auf den gleichen Geräten und Plattformen zu finden – auch und vor allem bei YouTube. Deswegen fordert Doetz Gleichbehandlung beim Zugang und bei der Auffindbarkeit. “Das kann nicht einer Plattform wie YouTube oder Google überlassen werden, die sich in einen direkten Wettbewerb zu den Inhalteangeboten der klassischen Medienhäuser begeben haben”.

Fernsehen bleibt Fernsehen

Dabei sehen sich sowohl YouTube als auch die Produzenten nicht als Konkurrenz zum TV. YouTube Sprecherin Mounira Latrache will nichts von einem “Krieg” wissen. “Wir sind eine Ergänzung zum Fernsehen. Wir bedienen Nischen.” Hätte man das Fernsehen angreifen wollen, hätte man auf Superstars gesetzt, die Mainstream-Wünsche bedienen würden. “Außerdem: Die Sender wissen viel besser, wie Fernsehen funktioniert.” Umkehrschluss: YouTube weiß viel besser, wie YouTube funktioniert. Und Fernsehinhalte haben dort nur begrenzt Erfolg.

Erst der Anfang

Die leisen Töne YouTubes sind angesichts des Gegenwinds verständlich. Nur sieht die Realität anders aus, meint Unternehmensberater und YouTube-Experte Bertram Gugel. “YouTube ist für mich einer der größten Konkurrenten des Fernsehens. Indem die Plattform nicht einfach TV-Inhalte recycelt, sondern neue originäre Inhalte fördert, bedient YouTube neue Nutzerbedürfnisse und schafft eine ganz neue Beziehung zu den Nutzern.”

Diese viel intensivere Beziehung zu den Nutzern sei es auch, was Webvideo von Fernsehen unterscheidet, meint YouTube-Sprecherin Latrache. Und diese Beziehung und die dazu notwendige Kreativität wolle man fördern. Wahr ist: YouTube behandelt, anders als vom VPRT kritisiert, jeden vermarktbaren Inhalt gleich – aus Eigeninteresse. Denn sämtliche Werbeeinnahmen laufen durch die Kassen Googles, bevor sie mit den Produzenten geteilt werden. Egal ob vom Katzenvideo, einem Fernsehmitschnitt oder eines originären Inhaltes.

Der nächste logische Schritt wäre später die Investition in eben diese originären Produzenten und YouTube-Netzwerke wie Mediakraft – nicht zuletzt, um die eigenen Einnahmen zu maximieren. In den USA hat YouTube diesen Schritt bereits getan: Im Mai 2012 investierte die Plattform 35 Millionen Dollar in den weltweit stärksten YouTube-Verbund “Machinima”, ein Zusammenschluss von tausenden Kanälen zum Thema Videospiele. Ein Netzwerk, welches im August 2012 stolze 210 Millionen Zuschauer und 2,25 Milliarden Videoabrufe hatte. Nischenkanäle sehen anders aus.

Bis es zu solch einer Investition in Deutschland kommt, werden noch einige Jahre vergehen, in denen Philipp Laude in seiner Video-WG in Köln sitzt. Doch der Kampf um den Bewegtbildmarkt in Deutschland hat heute begonnen.

(Das ZDF ist für den Inhalt externer Internetseiten nicht verantwortlich)


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